Reise durch die Jahrhunderte
Geschichten aus der Nöbdenitzer Ortschronik

Reise durch die Jahrhunderte

Historische Ansicht von Nöbdenitz (Burg Posterstein).

Historische Ansicht von Nöbdenitz (Burg Posterstein).

Frühgeschichte

Das Sprottental war in der Jungsteinzeit vor etwa 6000 Jahren ein beliebter Siedlungsplatz. Zwischen den Fluren Großstöbnitz und Schmölln sind eine ganze Reihe von Wohnstätten der Bandkeramiker (Kulturgruppe der Jungsteinzeit, 5. bis Mitte 4.Jahrtausend v. u. Z., mit typischer bandverzierter Keramik und erstmals festen Blockhäusern)‚ durch ur- und frühgeschichtliche Funde bekannt geworden.

Für Nöbdenitz ist eine solche Siedlung bisher nicht nachgewiesen. Erste Spuren reichen hier in das frühe Mittelalter, in die Zeit der slawischen Besiedelung unseres Gebiets, zurück. Zeugnis davon geben die Ortsform, die Flurform und der Ortsname.

Nöbdenitz ist eine sorbische (slawische) Gründung im Slawengau Plisni (abgeleitet vom Flußname Pleiße). Der Ort lag genau wie der Nachbarort Lohma am südwestlichen Zipfel des sorbischen Altgaues. Die Rodung des Waldes wurde entlang der Sprotte vorgenommen. Es entstand eine für slawische Zeit typische Dorfform – der Rundling. Beim Rundling waren etwa 6 bis 10 Höfe um einen runden Platz gruppiert. Um die Höfe herum verlief zum Schutz vor Eindringlingen ein Wassergraben oder eine starke Hecke.

Die Flur (Blockflur) um die Dörfer wurde in unregelmäßigem Grundriss und in verschieden große, unregelmäßig geformte Flurstücke, Blöcke genannt‚ gegliedert.

Jeder Bauer besaß Flurstücke, die nicht beisammen lagen, sondern über die Gesamtfläche verteilt waren.

Die Schreibweise des Ortsnamens änderte sich im Laufe der Jahrhunderte. Über Nobodicz (14. Jahrhundert)‚ Nubdiez und Nobediez (15. Jahrhundert) kam man der heutigen Bezeichnung schon ziemlich nahe. Ursprünglich ist er abgeleitet vorn slawischen novu = neu. Dagegen leiten sich die Namen des frühen Ortsteils von Nöbdenitz, Raudenitz (Rauda), vom altslawischen rudy = rot, Roteisenstein, Lohma, altslawisch lomu / lom = Steinbruch, Selka, selo = Dorf / Wohnsitz und als letztes Beispiel Untschen, altslawisch anzuku = eng, ab.

12./13. Jahrhundert

1143
Als erster Nöbdenitzer Ritter wurde 1143, Gerhardus von Nubodicz erwähnt. Gerhardus, ein ehemals Unfreier, dann in den Ritterstand erhobener Bediensteter, wurde als Reichsministerialer durch den Kaiser mit der Flur Nöbdenitz belehnt, und tritt in Altenburger und Naumburger Urkunden noch vor Heinrich von Weida einige Male als Zeuge auf.
Verwaltungsssitz der Herrschaft war eine Wasserburganlage (der Waal), von der heute noch das alte Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert und der Teich zeugen.

1181
Während Nöbdenitz genau wie eine Reihe von Orten der Region noch 1181 im Zehntverzeichnis des Klosters Bosau registriert war, leistete der Ort spätestens seit 1310 seine Abgaben an das Nonnenkloster Cronschwitz.
Bis zur Reformation galt Nöbdenitz als einer der größten Parochien (Hauptpfarrorte). Neben dem eingepfarrten Posterstein gehörten die Filialen Jonaswalde, Wettelswalde, Mennsdorf und Vollmershain dazu.

1191
wird dann Gerhard von Nöbdenitz (wahrscheinlich der Sohn des 1143 auftretenden Gerhardus) zusammen mit seiner Mutter Mechthilde von Stein erwähnt. Danach erschien Nöbdenitz als Rittersitz in den überlieferten Urkunden nicht mehr und Gerhardus nannte sich spätestens ab 1222 “von Stein“ oder lateinisch “de lapide“. Die Bauern des Ortes leisteten ihre Abgaben bis 1575 nach (Poster)stein. Zwischen 1143 und 1191 hat also offenbar eine Verlagerung des Verwaltungszentrums unseres Gebietes von Nöbdenitz nach Posterstein auf den strategisch besser gelegenen Bergsporn (Burg Posterstein) über der Sprotte stattgefunden.

14. und 15. Jahrhundert

Im 14.und l5.Jahrhundert kam es zu einer umfassenden Agrarkrise in Deutschland, von der auch unsere Gegend nicht verschont blieb. Kriege, wie der vogtländische Krieg (1354-59) oder der Hussitenkrieg (1429/30) taten ein übriges. Die Lasten, die auch die Kirche der Bevölkerung auferlegte, wurden immer drückender. 1354 forderte Bischof Rudolf von Naumburg die Pfarrer von Schmölln, Ronneburg, Nöbdenitz, Paitzdorf und anderen Orten auf, dafür zu sorgen, dass alle geistlichen und weltlichen Personen bei Strafe der Suspension und des Bannes innerhalb von 15 Tagen den Nonnen von Cronschwitz die schuldigen Abgaben zahlen.

Ausdruck der Schwierigkeiten der ländlichen Bevölkerung war auch, dass in jener Zeit einzelne Dörfer vollständig verschwanden. Ihre Fluren und die darauf liegenden Abgaben wurden auf die Nachbarorte aufgeteilt und uns sind sie heute nur noch als Wüstung bekannt. In einigen Nöbdenitzer Überlieferungen heißt es, ein solches verschwundenes Dorf habe zwischen Nöbdenitz und Selka gelegen, jedoch ist dies weder durch schriftliche Dokumente noch durch Bodenfunde bisher zu belegen.

16. Jahrhundert

1575
verkaufte Caesar Pflugk (auf Posterstein) seinen Postersteiner Besitz an Tham Pflugk, behielt sich jedoch u.a. Nöbdenitz und Raudenitz zur eigenen Verwendung vor und verwaltete es von seinen nunmehrigen Sitz Weißbach (das Stammgut seiner Frau) aus. Auch die Gerichtsbarkeit wurde fortan von Weißbach ausgeübt. Mit dem Verkauf kam es zu großen Streitigkeiten mit der Postersteiner Herrschaft um deren Logenplatz in der Nöbdenitzer Kirche, um den Anteil der Postersteiner an Pfarrbauten in Nöbdenitz und um die Bewirtschaftung des Pfarrbesitzes. Tham Pflugk, der schon mit militärischem Eingreifen gedroht hatte, erwirkte daraufhin die Genehmigung eines eigenen Kirchbaues in Posterstein.

1580
Erste Aufschlüsse über die Bevölkerungszahl und -dichte gab die 1580 vom herzoglichen Amt in Altenburg durchgeführte Volkszählung. Dabei wurden in Nöbdenitz 17 Häuser mit 86 Einwohnern, in Raudenitz acht Häuser mit 49 Einwohnern gezählt (1531 waren es in Nöbdenitz noch zehn Häuser und in Raudenitz sieben). Neben dem Vorwerk (damals auch Heinhoff genannt), auf dem Julius Pflugk den Hofmeister Rudolf Mauschen eingesetzt hatte, verzeichnete man in dieser Zeit in Nöbdenitz noch ein Pferdegut (Mattes Nitzsche) und drei kleine Handgüter. Dazu kamen die Rittergutsmühle, ein Kirchnerhäuslein und ein Hirtenhäuslein, sowie sechs Stebner (Häusler). Ein Schneider, ein Müller und der Wirt Adam Tenner, der sein Bier selbst braute, scheinen die einzigen Gewerbetreibenden gewesen zu sein. Der Nöbdenitzer Wirt (seine Schenke befand sich zu jener Zeit im heutigen Grundstück Rudolf Hofmann) besaß außerdem in Raudenitz ein Pferdegut. Der andere Raudenitzer Bauer hieß Jacopp.

Die Zuspitzungen im Lande fanden ihren Ausdruck in Reformation und Bauernkrieg.

17. Jahrhundert

30jähriger Krieg
Einen Rückschlag in der Entwicklung brachten die Ereignisse und Folgen des 30jährigen Krieges auch für Nöbdenitz. Steuererhöhungen, Truppeneinquartierungen, Pestseuchen in den Jahren 1633 und 1637, Hungersnöte und verwüstete Häuser waren die größten Beschwernisse. 1633 soll der Bauer Hans Seyfferth von einem kaiserlichen Soldaten erschossen worden sein.

1692
Bau des (alten) Herrenhauses innerhalb des Wassergrabens der Wasserburganlage.
Das Gebäude diente später als Verwalterhaus des Rittergutes Nöbdenitz und ist heute Sitz der Verwaltungsgemeinschaft ‘Oberes Sprottental’.

18. Jahrhundert

Das Seelenregister von 1727
Wichtige Hinweise auf die Bevölkerungsentwicklung der Orte Nöbdenitz, Raudenitz und Posterstein liefert eine von Anne-Kathrin Perlik und Günther Hoffmann aufgearbeitete Quelle – das Seelenregister von 1727, aufgestellt von Pastor Wimmer. Danach gab es in diesem Jahr in Nöbdenitz und Raudenitz in 38 Häusern 200 Einwohner, darunter 59 Kinder unter 14 Jahren, in Posterstein in 41 Häusern 254 Einwohner, bei 57 Kindern. Davon lebten allein 36 auf dem Rittergut, darunter auch der Baron von Trach. Die Familie seiner Frau (von Asseburg) besaß Nöbdenitz als Rittergut mit eigenen Rechten seit 1700. Man leistete sich zwei Schreiber, zwei Kammerjungfrauen, einen Koch und zwei Kutscher. Daneben gab es noch den Verwalter mit Familie und Gesinde, sowie den Pächter.
Die Mühle war mit dem Müller Johann David Perdes besetzt. Sie brannte mit den Wirtschaftsgebäuden des Rittergutes 1784 ab. Das einzige Pferdegut besaß Caspar Seyffert. Das Gut fiel jedoch 1818 den Flammen zum Opfer. Auf seinem Grund wurde das heute noch bestehende Gasthaus errichtet, nachdem die alte Hofschenke 1816 ebenfalls abgebrannt war. Ein Schmied, ein Maurer, ein Tischler und ein Schuster sind im Vergleich zu 1580 die “neuen“ Handwerker.

1734
Der Pfarrhausbau kam 1734 erst nach großen Schwierigkeiten zustande und die Errichtung neuer Stallgebäude der Pfarrei zog sich gar von 1749 bis 1791 hin.

1782

Das neue Herrenhaus, an dessen Stelle nach dem Abriss 1945 die in den 1990er Jahren ebenfalls abgerissene “Kinobaracke“ rückte, wurde 1782 nach der Heirat Thümmels mit der Nöbdenitzer Rittergutserbin Charlotte von Rothkirch-Trach gebaut und später modernisiert. Thümmel errichtete ebenfalls ein Erbbegräbnis für seine Familie -das Mausoleum, welches in den 1960er Jahren abgerissen wurde. (Schriftband über dem Eingang: ‘Stiller Schatten Eingang zum Licht’)

19. Jahrhundert

Überregionale Bedeutung erlangte Nöbdenitz durch die Person des Hans Wilhelm von Thümmel, der durch sein Wirken weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde.

Hans Wilhelm von Thümmel (1744-1824)

Hans Wilhelm von Thümmel (Museum Burg Posterstein)

Hans Wilhelm von Thümmel (Museum Burg Posterstein)

Der Minister und Schriftsteller, kam aus Nöbdenitz oft zu Besuch nach Löbichau und gehörte bis 1821 zum Dichterkreis im Musenhof der Herzogin Anna Dorothea von Kurland. Er hinterließ einige literarische Schriften. Die Herzogin Anna Dorothea von Kurland (1763-1821) und ihre Gäste statteten aber auch des öfteren Thümmel auf seinem Gut in Nöbdenitz einen Besuch ab. In den Wintermonaten fand sich Familie Thümmel samt den Töchtern Clementine und Constanze in den bekannten Berliner Salons ein.

Als Freund des Landesherren des Herzogtums Sachsen-Gotha und Altenburg, Herzogs Ernst II. (1745-1804), besaß er großen Einfluss bei Hofe. Zwischen 1803 und 1808 übernahm Thümmel mehrere diplomatische Missionen nach Dänemark, Berlin, Königsberg, Dresden und Paris. Nach seinem Abschied aus den herzoglichen Diensten 1817 lebte Hans Wilhelm von Thümmel häufiger als bisher in Nöbdenitz. Verdient gemacht hat er sich u. a. durch die Förderung des Straßenbaus, die Gründung der Kammerleihbank und der allgemeinen Landvermessung. Die Thümmelschen Karten sind auch heute noch von Bedeutung. Weitere Infos im Museum Burg Posterstein

In Nöbdenitz kann man seine Grabstätte besichtigen: Die 1000-jährige Eiche hatte Thümmel der Pfarrgemeinde abgekauft und sich, seiner romantischen Mentalität entsprechend, in den Wurzeln des Baumes eine Grabgruft einrichten lassen. Die Eiche ist mit mehr als 12.50 m Umfang eine der mächtigsten in Deutschland und steht heute unter Naturschutz. 1959 ist die Grabstätte untersucht und bestätigt worden.

1865:
Eisenbahnbau der Strecke von Gößnitz nach Gera.

Bau der Eisenbahnbrücke über die Sprotte an der Straße nach Lohma durch Baumeister Friedrich aus Großstechau.

1872

Ein für mitteleuropäische Verhältnisse schweres Erdbeben erschütterte die gesamte Region. Das Epizentrum befand sich in Posterstein. Gebäudeschäden waren auch in Nöbdenitz zu verzeichnen.

1894-96

Ansicht von Nöbdenitz aus der Kirchengalerie um 1860 (Museum Burg Posterstein)

Ansicht von Nöbdenitz aus der Kirchengalerie um 1860 (Museum Burg Posterstein)

Die alte Nöbdenitzer, im romanischen Stil erbaute Kirche wurde im 19. Jahrhundert abgerissen. H. Löbe schreibt in seiner „Geschichte der Kirchen und Schulen“ 1887 folgendes über sie:

“Da sie lange keine wesentliche Reparatur erfahren hat, so befindet sie sich jetzt in ziemlich baufälligen Zustande. Der Thurm auf der Ostseite, in seinem alten bis an den First des Kirchdaches reichenden Theile viereckig, erhielt im Jahre 1685 einen achteckigen Aufsatz, mit doppelter Haube. … Im Schiff welches ein längeres Viereck bildet, ist die einzige Empore, auf welcher auch die Orgel ihren Platz hat, an der Nordseite und die Kapelle der Nöbdenitzer Gutsherrschaft auf der Westseite mit separatem Aufgange. In der letzteren finden sich 3 Deckengemälde, die Geburt, die Kreuzigung und die Auferstehung Christi darstellend, an der Außenseite die Wappen der früheren Besitzer; an der Empore sind in blauen Feldern sinnreiche Sprüche angeschrieben und die gekästelte Decke über Schiff und Chor ist mit Arabesken in Wasserfarben bemalt“.

Zwischen 1894 und 96 errichtete der Altenburger Staatsbaumeister Wanckel die neue Nöbdenitzer Kirche im neugotischen Stil auf den alten Grundmauern.

Von Sabine Hofmann, Historikerin, Museumsverein Burg Posterstein

Geschichten aus der Nöbdenitzer Ortschronik

Das Nöbdenitzer Rittergut

Altes Herrenhaus Nöbdenitz, Ansichtskarte um 1910, Museum Burg Posterstein

Altes Herrenhaus Nöbdenitz, Ansichtskarte um 1910, Museum Burg Posterstein

Richtig romantisch sah das Rittergut mit seiner Parkanlage aus. Dort wo sich jetzt der Nöbdenitzer Kindergarten befindet, war damals der Eselsstall und das Taubenhaus. Das heutige Nöbdenitzer Gemeindehaus diente als Försterhaus. Förster Richard Helbig wohnte dort in den unteren Räumen. Er war ein sehr strenger Förster, der gut aufpasste, dass man im Wald nicht vom vorgeschriebenen Weg abkam, denn das war nicht erlaubt. Die zwei Teiche hinter dem Försterhaus gehörten zum Rittergut. Im ersten Teich wurde gebadet und im zweiten Teich züchtete man Fische ( Forellenteich ). Der Weg um den Teich wurde von der Rittergutsfamilie Verlobungsweg genannt. Vom Verlobungsweg aus führte über die Sprotte eine Schwebebrücke, von der aus man zur damaligen Gärtnerei gehen konnte, welche sich auf dem Feld hinter der Sprotte befand. Zwischen den zwei Teichen stand ein kleines Teehäuschen. Der Fachwerkschuppen, der rechts am Anfang des Radwanderweges Nöbdenitzer Wald steht, war früher der Hühnerstall und ist noch einziges Überbleibsel vom abgerissenen Rittergut. Da, wo sich früher die Grabstätte der Rittergutsfamilie befand, steht jetzt eine Schulbushaltestelle. Das Rittergut hatte einen Inspektor, das war der Paul Lukner, bekannt als ein strenger und ordnungsliebender Mann. Im Waschhaus ( heute Wohnhaus mit Frisör ) zahlte er den Arbeitern immer den Lohn aus, seine Frau verkaufte dort die Milch, ein Liter kostete damals 15 Pfennig. Ernst von Thümmel war ein guter Landwirt und Rittergutsbesitzer. Seine Frau hieß Margarete von Thümmel. Sie hatten zwei Töchter. Sein Enkel Eckebrecht lebte auch auf dem Rittergut und erlernte beim Bauer Kirmse den Beruf des Landwirts. Man erzählte mir, das Herr und Frau von Thümmel sehr nette Menschen waren. Beide hatten viel für ihr Dorf und deren Bewohner übrig. Als das Rittergut noch bestand, haben viele Dorfbewohner dort als Feldarbeiter und im Winter als Waldarbeiter gearbeitet. Für die Kinder der Arbeiter und Angestellten gab es jedes Jahr eine Weihnachtsfeier am 2. Weihnachtsfeiertag. Da wurden in einem Raum des Rittergutes eine große Tafel mit Essen aufgebaut und jedes Kind bekam ein Spielzeug und auch etwas zum Anziehen geschenkt. Kammerherr Ernst von Thümmel starb am 13. Februar 1945 an einem Schlaganfall. An diesem Tag kamen auch die Amerikaner ins Dorf. Gleich nach dem Krieg musste seine Frau das Rittergut unter unwürdigen Bedingungen verlassen. Bis sie aus Nöbdenitz weg zog, fand sie im Pfarrhaus bei Pfarrer Günther eine Bleibe.

Marlis Geidner-Girod

Hans Wilhelm von Thümmels Grabeiche

Ernst von Thümmel

Ernst von Thümmel trat nach dem Tod seines Vaters den Besitz des Nöbdenitzer Rittergutes an. Um sich voll seinem Rittergut widmen zu können, gab er freiwillig seine Arbeit als Assessor beim Herzoglichen Ministerium auf.
Als Präsident des Landtages und als Vizepräsident in ganz Thüringen, besonders als Präsident der Landwirtschaftskammer, war er bekannt und hat sich dort hohe Verdienste erworben.
Mit großer Liebe hing er an seinen schönen Besitz in Nöbdenitz, welches unter seiner Aufsicht und Leitung mustergültig bewirtschaftet wurde. Unter den Bauern genoss er hohes Ansehen und als Mensch zeichnete er sich seinen Bediensteten und Arbeitern gegenüber durch Freundlichkeit und Leutseligkeit aus, vor allem durch seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn. Er hatte Herz und Verständnis für die ländliche Bevölkerung, vertrat deren Interessen im Raiffeisenverein, zu deren Aufsichtsrat er gehörte und stand jedem zur Verfügung, wenn man ihn um Rechtsfragen um eine Auskunft bat.
Er gehörte der lutherischen Bekenntnisgemeinschaft in Thüringen an.
Ernst von Thümmel starb am am 12. Februar 1945 an einem Schlaganfall. Sein Enkel Eckebrecht von Rieß kann sich noch heute ganz genau an diese Zeit erinnern. Er lebte damals bei seinen Großeltern und erlernte auf dem Bauernhof Kirmse in Nöbdenitz einen landwirtschaftlichen Beruf.
Kurze Zeit nachdem der Großvater starb, standen die Amerikaner vor der Haustür des Rittergutes, um dieses Haus als ihr Quartier anzuschauen. Als sie das Zimmer betraten, in dem der verstorbene Herr von Thümmel aufgebahrt war, nahmen sie ihre Kopfbedeckung ab und salutierten vor dem Toten. Sie gaben der Familie drei Tage Zeit, um in Ruhe trauern zu können.
Am 16. April wurde Ernst von Thümmel im Erbbegräbnis seiner Familie beigesetzt. Die Beerdigung des Rittergutsbesitzers fand unter großer Beteiligung statt.
Nach der Kapitulation am 11. Mai 1945 musste die Rittergutsbesitzerin Margarete von Thümmel das Nöbdenitzer Rittergut verlassen. Aufnahme fand sie mit ihrem Enkel Eckebrecht im Pfarrhaus. Anfang Juli 1945 zogen die Russen in Nöbdenitz ein, diese plünderten im Herrenhaus, in welches die Rittergutsfamilie von Thümmel wieder zurückgekehrt war. Am 3. August 1945, noch bevor das Gesetz über die Bodenreform in Kraft trat, wurden Magarethe von Thümmel von den Russen jegliche Verfügungen über ihre Rittergüter Nöbdenitz und Untschen entzogen. Diese Güter wurden unter russische Verwaltung gestellt. Nochmals musste die Rittergutsfamilie binnen von zwei Stunden Haus und Hof räumen, dabei durften sie nur das Nötigste mitnehmen und wieder fanden sie bei Pfarrer Günther im Pfarrhaus eine Bleibe. Nach und nach wurden alle Möbel aus dem Herrenhaus auf einem Lastkraftwagen fortgeschafft, einige davon wurden auch unter den Nöbdenitzer Dorfbewohnern verteilt. Das Rittergut wurde auf 16 Siedler aufgeteilt, einige Grundstücke an der Bahnhofstraße wurden an Einwohner vergeben. Kuhstall und die Silos wurden eingerissen. Vom Rittergut steht nur noch der alte Hühnerstall. Er steht beginnend am Radwanderweg Nöbdenitzer Wald (kleiner Fachwerkschuppen).
Ältere Dorfbewohner erzählten mir liebevoll vom Rittergutsbesitzer und seiner Frau. Er trug immer einen Strohhut, den er dann beim grüßen der Dorfleute kurz vom Kopf nahm. Die Hühnerfrau vom hiesigen Rittergut hieß Frau Reichel. Auf dem Rittergut gab es einen Esel. Es gab einen Jungen, der diesen Esel betreute. Zu seinen Aufgaben gehörte es zum Beispiel, die Kinder des Kammerherrn auszufahren oder das Gepäck der Gäste vom Bahnhof abzuholen. Das Gebäude des heutigen Nöbdenitzer Kindergartens war früher das Försterhaus. Der Förster hieß Richard Helbig, der war ein sehr strenger Förster. Man durfte im Wald nicht vom Weg abkommen, sonst bekam man großen Ärger mit ihm. Der Inspektor des Rittergutes war er der Paul Lukner. Er war ein ordentlicher und strenger Mann. Im Waschhaus (das Gebäude, in dem jetzt der Frisör ist) wurde von ihm an die Arbeiter der Lohn ausgezahlt. Die Milch wurde auch dort von der Frau des Inspektors ausgegeben. Damals kostete der Liter 15 Pfennig.
Zu den Kindern ihrer Bediensteten war die Rittergutsfamilie immer sehr großzügig. Zum Beispiel wurden jedes Jahr am 2. Weihnachtsfeiertag die Kindern des Ortes eingeladen und mit ihnen gefeiert. Das war eine Aufregung, denn für alle Kinder gab es dort auch Geschenke. In der Vorweihnachtszeit mussten die Kinder dann im Rittergut erscheinen. Dort wurde für jedes Kind ein Kleidungsstück genäht. Die Kinder bekamen beim Anpassen der Kleidung Binden um die Augen gelegt, damit sie ja nicht sahen, was dort für sie angefertigt wurde, es sollte ja eine Überraschung werden. Im Geraer Kaufhaus „Tietze“ wurde für jedes Kind ein Spielzeug gekauft. Am Tag der Weihnachtsfeier brachte man dann die Geschenke mit einem Lastkraftwagen ins Nöbdenitzer Rittergutshaus.

Marlis Geidner-Girod

Das Teehäuschen

Ansicht des historischen Teehauses um 1900.

Ansicht des historischen Teehauses um 1900.

Nach über 60 Jahren bekommt Nöbdenitz das Teehäuschen zwischen den 2 Teichen auf dem ehemaligen Grundstück des Rittergutes wieder. Wer dieses Gebäude noch aus seinen Kindheitstagen kennt und jetzt am Nöbdenitzer Teich spazieren geht, fühlt sich in die Vergangenheit zurück versetzt. Ich kenne dieses Häuschen nur von alten Fotos, und als ich es vor ein paar Tagen zum ersten Mal sah, war ich fasziniert von seinem Anblick.
Neugierig auf die Geschichte des Teehäuschens, rief ich bei Herrn von Rieß an, dem Enkel des letzten Nöbdenitzer Rittergutsbesitzers Ernst von Thümmel. Er erzählte mir, dass das Teehaus von der Rittergutsfamilie nur im Sommer – und das nur sonntags – an den Nachmittagen mit schönem Wetter genutzt haben, um dort in aller Stille Tee zu trinken, um in Ruhe ein Buch zu lesen oder in trauter Gesellschaft Karten zu spielen oder einfach nur, um in aller Stille die schöne Natur zu genießen. Dazu wurde ein Korb mit passendem Geschirr, Tee und Kuchen gefüllt. Damit fuhr man dann in einem Boot auf dem Teich zum Teehäuschen. Begleitet wurde diese Fahrt oft von den dort anwesenden Schwänen. Am Ufer, vor dem Ziel angekommen, führten 3 Stufen zum Teehäuschen empor. Damals bestand es nur aus einem geschlossenen Raum mit einer Doppeltür. In dem Häschen standen ein Tisch und ein paar Stühle.
Heute soll das Häuschen vor allem zum Schutz vor Regen und Unwetter für Wanderer und Spaziergänger des romantischen Wanderweges durch den Nöbdenitzer Wald dienen. Möge es viele Freude bereiten und auch in Ehren gehalten werden.

Marlis Geider-Girod

Dorfpfarrer Heinrich Günther

Als Dorfchronistin von Nöbdenitz habe ich es mir vor allem zur Aufgabe gemacht, Gespräche mit den älteren Bewohnern des Dorfes zu führen und deren Erinnerungen aufzuschreiben An diesen Lebensgeschichten möchte ich Sie gerne teilhaben lassen. Beginnen möchte ich mit den Erinnerungen an Heinrich Günther, welcher seit 1905 Pfarrer für die Kirchgemeinde Nöbdenitz, Posterstein und Lohma war. Gern erinnert man sich an diesen Mann als einen guten Menschen, der durch seine volksnahe Art sehr gut in unser Dorf passte und heute noch schwärmt man von seinen wunderbaren Predigten. Wenn er für die Predigt übte, lief er immer den Weg um den Nöbdenitzer Teich auf und ab, bis diese saß. Als Pfarrer konnte er aber auch, wenn es angebracht war, sehr streng sein. Seine Ehe blieb kinderlos, obwohl das Ehepaar sehr kinderlieb war. Der Pfarrer war für die Konfirmanden zuständig, seine Frau – eine gelernte Lehrerin, für die Christenlehrekinder. Die Pfarrersfrau brachte den Kindern viele schöne Lieder bei und begleitete deren Gesang auf dem Harmonium.
Die Pfarrersfamilie war eine Familie mit Wohlstand. Sie hatten eine Köchin, eine Waschfrau und als Haushaltsgehilfinnen Schulmädchen, die für die kleineren Arbeiten zuständig waren. Vom 12. Lebensjahr bis zur Konfirmation konnte man als Mädchen in einer Hauswirtschaft arbeiten. Mittags 12.00 Uhr war die Schule aus und von 13 .00 Uhr bis 16 .00 Uhr hat man dann beim Pfarrer gearbeitet. Im Monat hat man 5 Mark verdient und das war zu dieser Zeit viel Geld ! So wie die Familienverhältnisse waren ,wurde das Verdiente entweder für die Wirtschaft zu Hause mit abgegeben oder man durfte das Geld für sich behalten. Die Aufgaben der Mädchen waren Kohlen schleppen, die Schuhe putzen, einkaufen gehen, z. B. das Bier für den Herrn Pfarrer im Gasthof Jäger oder die Lebensmittel aus dem Konsum holen, Beeren pflücken und immer freitags wurde das Silber geputzt. Wenn Großreinemachtag war, mussten die Teppiche ausgeklopft und die Fenster geputzt werden. Die Pfarrersleut waren immer gut zu ihren Angestellten. Während der Kriegszeit und nach dem Krieg fanden Menschen , die ihr eigenes Heim verloren hatten, eine vorübergehende Bleibe im Pfarrhaus. Im März 1947 wurde Pfarrer Günther zum Oberpfarrer ernannt. Nach 46-jähriger Dienstzeit legte er 1951 sein Amt nieder. Im September 1956 schloss er für immer seine Augen. Drei Generationen hat Pfarrer Günther Gottes Wort gelehrt und gepredigt und in Freud und Leid seiner Gemeinde zur Seite gestanden.

Marlis Geidner-Girod

Nöbdenitzer Schulgeschichte

Die Schusterwerkstatt Hofmann in Nöbdenitz

Heute möchte ich über die alte Schusterwerkstatt in Nöbdenitz berichten, die nach dem 1. Weltkrieg von Hermann Hofmann gegründet und die von seinem Enkel Rudolf Hofmann bis 1992 betrieben wurde. Wie gerne bin ich als Kind in diese Werkstatt gegangen, wo es doch dort immer so gut nach Leder und nach Leim roch und der Schuster immer so freundlich war. Um etwas mehr über diesen Familienbetrieb erfahren zu können, unterhielt ich mich mit dem Enkel des Gründers der Schusterwerkstatt, Ullrich Hofmann, der 1943 im Betrieb seiner Familie die Schusterlehre und dann später auch seinen Meister machte und dort bis 1958 arbeitete. Nachdem Hermann Hofmanns drei Söhne Alfred, Paul und Arndt aus dem Krieg kamen, wurde die Werkstatt verändert. Alfred, welcher der einzigste Schuhmachermeister unter den Brüdern war, baute daraus eine Reparaturwerkstatt mit Maßschuhanfertigung. Seine Brüder Paul und Arndt übernahmen den Schuhhandel. In den Zwanziger Jahren wurde dieser mit einem Hundegespann betrieben, später dann mit einem Pferdewagen und Anfang der Dreißiger Jahre mit einem Lieferwagen. Dieses Auto wurde in den ersten Jahren des 2. Weltkrieges von der Wehrmacht beschlagnahmt. Der Name des Betriebes wurde Anfang der Zwanziger Jahre auf „Hermann Hofmann & Söhne“ umgewandelt. Die Schusterbrüder suchten ihre Kundschaft in Dörfern des Altenburger – aber auch Teile des Geraer Landes auf. Die Hauptproduktion der Schusterwerkstatt bildete damals die Anfertigung von Holzpantoffeln und Holzschuhen. Diese waren damals in der Landwirtschaft sehr gefragt. Kundschaft waren vor allem die Knechte und Mägde auf den Bauernhöfen, aber auch die Bauersleute selbst. Und so fuhren Paul und Arndt Hofmann regelmäßig ihren Touren ab. Morgens 9.00 Uhr ging die Fahrt los und abends, spätestens 20.00 Uhr, waren die Männer wieder Zuhause. Das Auto wurde voll mit neuen Schuhen gepackt und los ging die Fahrt. Natürlich wurden von der Kundschaft nicht nur neue Schuhe gekauft, sondern auch welche mit zur Reparatur gegeben. Ja – und wie sah damals der Arbeitstag in der Schusterwerkstatt aus. Die Arbeitszeit ging von früh Uhr 7.00 Uhr, mit einer Mittagspause, bis abends 18.00 Uhr. Samstags wurde, wie es damals halt so üblich war, auch gearbeitet und das bis abends. Teilweise haben in der Werkstatt drei bis vier Mann gearbeitet. Während des Krieges hatte die Schusterwerkstatt Hunderte von Schuhen zu reparieren, ja wer konnte sich denn zu dieser Zeit einen neuen Schuh leisten. Mitten in der Werkstatt befand sich immer ein riesengroßer Berg Schuhe, der fast nicht bewältigt werden konnte. Da gab es öfters mal Geschimpfe von den Leuten, weil sie so lange warten mussten. Der Meister sagte den anderen, was gemacht werden musste. Da bekam man gleich mal 6 bis 8 Schuhe zur Bearbeitung vor sich gelegt. Es wurden die alten kaputte Sohlen oder Absätze abgerissen, für diese fertigten wir dann die Modelle an und die hat dann der Meister aus den großen Lederstücken rausgeschnitten. Zur damaligen Zeit waren Ledersohlen der meist eingesetzte Rohstoff. Früher wurde bei den Reparaturen alles mit Kreuznägeln genagelt.

Während des 2. Weltkrieges kamen dann die ersten Gummisohlen auf, die Anfang der Sechziger Jahre durch Purokreppsohlen ersetzt wurden und die hielten gegenüber den anderen sehr lange. Dieses Material ersetzte man dann später durch vorgefertigte und angegossene Gummisohlen. Für die Reparatur dieser Sohlen kam dann das Klebverfahren auf und so ist es noch bis heute. Die Arbeit in der Schusterwerkstatt ließ dadurch systematisch nach und so verschwand so nach und nach dieses schöne Handwerk. Hinzu kam ja auch, dass es ab etwa Mitte – Ende der Fünfziger Jahre genügend Schuhe im Konsum und auch später in der HO zu kaufen gab. Da war die Maßanfertigung beim Schuster nicht mehr gefragt, denn die massenangefertigte Schuhe waren billiger. 1942 verstarb der Großvater Hermann Hofmann und der Betrieb wurde auf „Gebrüder Hofmann“ umbenannt. Der letzte Schuhmachermeister in Nöbdenitz war Rudolf Hofmann, Sohn von Schuhmachermeister Alfred Hofmann. Er betrieb die Schusterwerkstatt bis ins Jahr 1992, bis zu seinem Siebzigsten Lebensjahr.

Marlis Geidner-Girod

Entstehung des Erntekindergartens

In Nöbdenitz wurde im ehemaligen Försterhaus des Ritterguts ein Erntekindergarten errichtet. Am 9. Juni 1954 wurde er eröffnet. Mit nur 2 Räumen, darin 2 Tische, 12 Stühlen, ein alter Schrank, 12 Liegestühle und etwas Spielzeug war der Anfang etwas mühsam und primitiv. Mit diesen wenigen Mitteln war man bemüht, den Kindern den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Von Seiten der Betreuerinnen wurde alles getan, damit sich die Kinder wohl fühlten. Die Windeln und die Wäsche wurden damals von den Erzieherinnen noch selbst gewaschen und die Kinder wurden jeden Samstag gebadet. An Beiträgen bezahlten die Eltern damals pro Kind im Monat 15,- DM, der größte Teil der Unterhaltskosten wurde aus dem Staatshaushalt bezahlt. Im November 1954 kam die Bestätigung, dass die Nöbdenitzer Kinderkrippe ab dem 1. Januar 1955 als Dauer-Tageskrippe weiter geführt werden darf. Nun mussten auch die Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Notwendig war vor allem eine Heizungsanlage, da der Schlafraum nicht zu heizen ging. Dies konnte aus Mitteln des Haushaltsplanes geschehen. Durch den Bau einer Wasser- und Abflussleitung, wurde den Erzieherinnen die Arbeit wesentlich erleichtert. Denn bisher musste sämtliches Wasser aus der Küche geholt und auch wieder nach unten geschafft werden. Da die Zahl der Kinder weiter stieg, reichten die beiden Zimmer, die zur Verfügung standen, nicht mehr aus. In 60 Stunden wurden durch Fritz Förstel und Gerhard Sidorr in ehrenamtlicher Arbeit ein 3. Zimmer ausgebaut. Somit konnte auch ein Wasch- und Garderobenraum eingerichtet werden. Kammtaschen, Lätzchen, Mundschützer und Kissenbezüge wurden von den Erzieherinnen genäht. Zur besseren Betreuung der Kinder wurden Spielzeug, ein neuer Spielzeugschrank, ein Wäscheschrank, zwei Laufgitter, weitere Tische und Stühle, Wolldecken, Handtücher und Badetücher gekauft. Außerdem wurde ein Bad eingerichtet. Um auch das leibliche Wohl der Kinder zu verbessern, wurde ab dem 1. Januar 1955 eine Köchin eingestellt. Von diesem Zeitpunkt an wurden die Kinder ganztägig verpflegt. Mangelhaft war damals das Fehlen eines umzäunten Spielplatzes. Obwohl ausreichendes Gelände dafür vorhanden war, fehlte es an dem dazu gehörigen Material. Für die Betreuerinnen wäre ein umzäunter Spielplatz einen große Erleichterung gewesen, denn der bisherige Spielplatz war für die Kinder zu gefahrvoll, denn rechts von ihm lag der Mühlgraben und links davon der Teich Im März 1957 war es dann soweit! Von den Eltern und den Mitarbeiterinnen der Kinderkrippe wurde in 195 freiwilligen Arbeitsstunden ein Spielplatz angelegt. Mehr über den heutigen Kindergarten

Marlis Geidner-Girod

Die Hebamme

In der Vorkriegszeit war Frau Schnabel Hebamme in unserem Dorf Nöbdenitz. Sie selbst hatte acht Kinder zu versorgen. Die Hebamme war für 19 Dörfer zuständig und fuhr bei Wind und Wetter alle Weg mit dem Fahrrad.
Der Lohn für die Hebamme war damals bei einem Kassenpatienten 32,00 Mark, die Bauern mussten 50,00 Mark bezahlen. In den Preis eingeschlossen war die Entbindung und neun Tage Betreuung von Mutter und Kind.
Frau Schnabel hatte damals sehr darum gekämpft, dass auch die unehelich geborenen Kinder genau so getauft wurden wie die ehelichen. Das damalige Kirchengesetz hatte es aber nicht zugelassen. Das hieß, die unehelichen Kinder durften erst nach der offiziellen Tauffestlichkeit in der Kirche getauft werden. Die Taufe erfolgte in der Regel neun Tage nach der Geburt.

Marlis Geidner-Girod

Giftmord im Jahr 1859

Am 9. Dezember 1859 verstarb der Drechslermeister und Witwer Gottfried Göring aus Nöbdenitz. Nach seiner Beerdigung gab die Haushälterin des Herrn Göring seiner Schwester aus Mannigswalde etwas Käse mit nach Hause. Als diese mit ihrer Tochter davon gegessen hatten, wurde es beiden schlecht. Auch dessen Katze, welche vom Käse kosten durfte, erbrach sich.
Misstrauig geworden, erzählte sie es ihrer Schwester aus Schönheide. Diese wiederum ließ sich den restlichen Käse geben und brachte ihn Doktor Kretschmar aus Löbichau, welcher der behandelnde Arzt des Verstorbenen war.
Der Verdacht einer Vergiftung bestand und deshalb ging der Doktor mit dem Käse zum Schmöllner Gericht, welche diesen Fall an das Kriminalamt in Altenburg weiter gab. Dort wurden bei der medizinischen Untersuchung am Käse Spuren von Arsenik gefunden.
Der zuständige Kriminalbeamte fuhr deshalb nach Nöbdenitz und durchsuchte Göhrings Haus. Dort fand er im Bett der Haushälterin Göbner eine Büchse mit weißen Pulver. Es war Arsenikpulver.
Daraufhin wurde der Leichnam Göhrings zehn Wochen nach dessen Beerdigung in Gegenwart und auf Veranlassung des Kriminalen Gerichts zu Altenburg wieder ausgegraben und im Hause, in der Wohnstube des Verstorbenen, seziert. Die Öffnung des Sarges erfolgte im Hofe und im Beisein vieler Leute. Göhring war noch nicht im mindesten verwest. Er sah wie im Leben aus, nur auf den Backen hatte sich etwas weißlicher Moder angesetzt. Durch den Anblick des Leichnams bestätigte sich der Verdacht einer Vergiftung.
Die Haushälterin wurde des Giftmordes verdächtigt und ins Gefängnis abgeführt. Nach vielen Leugnen gestand sie dann, ihrem Hausherrn in eine Semmelsuppe Gift getan zu haben. Die Haushälterin Sophie Göbner lebte mit ihrem Ehemann mit in Göhrings Haus. Die Untersuchung ergab, dass Herr Göhring mit seiner Haushälterin in verbotenem Umgang lebte. Später war er seiner Geliebten überdrüssig und wollte sie gern los werden.
Er hatte vor, sich wieder zu verheiraten und er wollte sein Haus verkaufen.
Das alles wusste sie und deshalb wollte sie ihn durch das Gift wenigsten krank machen, um ihn dann dazu zu bringen, ihr in seinem Testament das Haus zu verschreiben.
Des Giftmordes überwiesen und zum Tode verurteilt wurde die Haushälterin Sophie Göbner am 14. Dezember 1860 auf dem Kriminal-Gerichtshofe zu Altenburg enthauptet.

Marlis Geidner-Girod

Klimawandel – Ausschnitte aus der Chronik Nöbdenitz

In der letzten Zeit hören, lesen oder sehen wir viel über den Klimawandel unserer Erde und man macht sich so seine Gedanken. Natürlich muss was getan werde, muss die Umwelt mehr geschont werden! Aber wie war früher das Wetter, gab es da auch schon so oft Stürme, Hitze, Überschwemmungen? Darauf hin durchforschte ich die vorhandene Nöbdenitzer Chronik und sammelte alle Berichte über die Natur- und Ernteergebnisse der damaligen Jahre. Als erster schrieb Pfarrer Günter über das Wetter in die Chronik. Der Verlauf des Wetters war damals sehr wichtig, lebte man doch auf dem Dorf doch hauptsächlich von den Erträgen seiner eigenen Ernte. Jeder Apfel, jede Kirsche, Pflaume oder Birne waren Luxus, jede Kartoffel oder Rübe überlebenswichtig. Dieser Bericht dürfte vor allem die heutigen Landwirte und Hobbygärtner interessieren.
1922 war die erste Hälfte des Jahres mehr trocken als nass , die zweite Jahreshälfte eher kühl und feucht. Der Januar war sehr kalt, der Juni dafür sehr trocken. Anfang Juli setzte stärkerer Landregen ein, die den Beginn der Ernte verzögerten. Von Mitte Juli ab war es nass und kühl, der August, September und Oktober reich an Niederschlägen. Der Winter war verhältnismäßig mild. 1923 war das Wetter ab Ende März feucht und kühl, dadurch kamen die Saaten nicht recht vorwärts. Erst der Juli brachte die nötige Wärme. Die Ernte ging gut und schnell von statten. Von August bis September war es warm und trocken, auch der Oktober wa noch relativ warm, so dass die Herbstbestellungsarbeiten und die Hackfruchternte glatt von statten ging. Mitte Dezember setzten der Frost und Schneefälle ein, bis zum Jahresende war es kalt. 1924/1925 war der Winter im ganzen so gut wie schneefrei und ohne anhaltendes Frostwetter. Der März und der April brachten winterliches Wetter, Ende April trat dann wärmeres Wetter auf, auch der Mai war warm und im letzten Drittel recht trocken. Die erste Hälfte des Juni war sehr trocken, erst Mitte Juni stellten sich Niederschläge ein. Anfang August war das Wetter oft warm aber gegen Ende des Monats kam Regen und Abkühlung. Im September herrschte kaltes und unfreundliches Wetter, welches sich den ganzen Herbst durch fort setzte. Schon im November setzte starke Kälte mit Schnee ein. Kurz vor Weihnachten schlug aber das Wetter um, so dass zum Feste kein Schnee lag. 1926 war das Flutjahr. Verschiedene Gegenden wurden von Hochwasserkatastrophen heimgesucht, welche einen unermesslichen Schaden verursachten und einen großen Teil der Ernte vernichteten. Unsere Gegend war auch sehr davon betroffen, wie in der OTZ schon berichtet. 1927 war nach einem eher kalten und trockenen Mai der Juni hoch an Niederschlägen. Im Juli traten heftige Gewitter auf, deren Niederschläge wolkenbruchartige Formen annahmen. Im Dezember herrschten Frost und stetig sinkende Temperaturen. 1928 Anfang Januar war es kalt, am Ende des Monats folgte eine milde Witterung, die sich bis zum Februar fortsetzte. Ende März hielt eine frühlingsmäßige Witterung ihren Einzug. April und Mai waren unfreundlich. Vom 21. Juni an trat ein anhaltender Temperaturaufstieg ein, der die sommerliche Witterung brachte. Der Sommer war im allgemeinen recht trocken. Die Folge davon war Futtermangel. Nach einem günstigen Herbstwetter war im Dezember starker Frost eingetreten, der aber bei guter Schneedecke den Wintersaaten keinen Schaden gebracht hatte und zu Weihnachten von Tauwetter abgelöst wurde. 1929 Der Januar, Februar und Anfang März standen im Zeichen strenger Winterkälte, die Temperatur sank zeitweise bis zu – 30 °C. An milderen Tagen setzte Schneefall ein. Stark litten unter dem Frost die Tiere und wie unter dem Wildbestand richtete es großen Schaden unter den Obstbäumen an. Besonders viele Kirschbäume erfroren, so dass im Pfarrgarten nur noch sehr wenige übrig geblieben sind. Da die Schneemassen nur langsam auftauten, traten die befürchteten Überschwemmungsgefahren nicht ein. So kalt der Winter gewesen war, so heiß und trocken war der Sommer. Das Obst war nur klein und fiel vielfach vor der Reife ab. Auch im September setzte sich die Trockenheit fort, bis das letzte Drittel des Monats endlich stärkere Niederschläge brachte. Die Kartoffelerträge blieben hinter dem normalen zurück. 1930 Nach einem milden Winter folgte im März frühlingsartiges Wetter, das eine zeitige Bestellung erlaubte. Veränderliche Witterung im Mai, der Juni war trocken, die Heuernte verlief günstig , der Ertrag war gut. 1931 Der erste Monat im Jahr der einen winterlichen Charakter aufwies, war der Februar, durchaus winterlich war auch der März. Den Mai zeichnete starke Trockenheit aus. Die Witterung im Juni war für die Landwirtschaft im allgemeinen sehr günstig, im Juli schlug das Wetter um und es folgten kühle, sogar kalte, regnerische Tage. Die letzte Woche des Juli brachte wieder warmes, wenn auch unbeständiges Wetter. Anfang August war für die Getreideernte günstig, aber ständige Niederschläge hinderten die Grummeternte stark. Die nasskühle Witterung des August setzte sich im September fort und erschwerte die Hackfruchternte. Getreideernte so wie auch die Kartoffelernte waren gut.1932 Im Januar war allgemein mildes Wetter, Anfang und Mitte Februar fiel Schnee. Winterliche Witterung mit starken Temperaturschwankungen brachte der März. Der April war im Ganzen kalt. So zeigte der Mai wieder stark veränderlichen Witterungscharakter. Der Juni war trocken. Die Heuernte ging flott von statten und war über den Durchschnitt gut. Das feuchte Wetter des Juli setzte sich bis 10. August fort. Dann begann es plötzlich heiß zu werden bis + 30 Grad und mehr. Eine schnelle Reife aller Getreidearten setzte ein. 1933 Der Mai war kühl und trocken. In den ersten zwei Monatsdritteln des Juni setzte sich die trockene Witterung fort. Am Monatsende fielen bei mäßiger Wärme sehr starke Niederschläge. Die Heuernte war mangelhaft, erst im Juli trat eine ausgesprochen sommerliche Witterung ein. Der August war warm und trocken, sowie auch der September und Oktober. Es gab eine große Mäuseplage. 1934 gab es eine große Trockenheit und Futterknappheit. Es gab wenig Stroh, die Körnerqualität war ausgezeichnet und die Kartoffelernte war befriedigend. Geringe Rübenernte. Das Jahr 1934 wird den Bauern als Notjahr in Erinnerung bleiben. 1935 Nach dem schlechten Erntejahr folgte ein besseres, zum Teil sogar ein sehr gutes Jahr. Im Frühjahr herrschten Hitze und Trockenheit, dazu kamen starke Nachtfröste, aber im Spätfrühjahr setzten warme Regenfälle ein, so dass eine Rekordheuernte folgte. Das Obstjahr war schlecht. Der Winter 1936 war im allgemeinen mild. Im April herrschte meistens trübes und regnerisches Wetter. Der Mai war kühl und feucht. Der Monat Juni beschwerte anfangs durch die regnerischen Tage die Heuernte, aber in der 2. Hälfte sommerliches Wetter mit häufiger Gewitterbildung, Anfang Juli traten wieder Niederschläge auf. 1936 /1937 Auch durch die Mäuseplage im Herbst und Winter, die größte seit vielen Jahren in ganz Mitteldeutschland, hatten die Saaten gelitten. Im Februar ließ die Mäuseplage in Folge der nassen Witterung endlich nach. Der Monat März brachte häufige Niederschläge, der April war trübe und kühl. Gegen Ende des Monats setzten warme und trockene Tage ein. Der Monat Mai brachte denkbar günstige Witterung, anfangs war es kühl und nass, später sehr sonnig und warm, verbunden mit Regenfällen, so dass sich die Kulturpflanzen außerordentlich günstig gut entwickelten. Der Juli war meistens trübe, regnerische Luft. Im Oktober schönes und warmes Wetter. Im November unfreundliche Witterung. Die Wintersaaten standen ausgezeichnet. Mitte Dezember setzten starke Schneefälle ein. Die weihnachtliche Winterlandschaft wurde aber kurz vor dem Weihnachtsfest durch plötzlich eintretendes Tauwetter gestört. Ende des Monats wieder leichte Schneedecke. 1939 Der Januar brachte eine für die Jahreszeit zu milde Witterung, die bis zum März anhielt. Es gab Tage von + 14 °C. Nach der ersten Märzwoche setzte Kälte mit starken Schneefällen ein. Mitte März besserte sich das Wetter, blieb aber wechselhaft. Der Mai war kühl und sehr niederschlagsreich, ebenso der Juni. Die Sommersaaten litten unter Nässe und verunkrauteten stark. Die Heuernte konnte nur sehr langsam vorwärts kommen und die Getreideernte war in folge schwerer Unwetter im Juni wohl die schlimmste Lagerernte, die der Altenburger Bauern bei drückenden Arbeitermangel je bewältigen musste. Oktober und November setzte sich die nahezu ununterbrochenen Schlechtwetterperiode der Vormonate fort. Im Dezember herrschte im ersten Drittel trübes nasses Wetter, am 8. bis 12. Schneefall und starker Frost, der bis Ende des Jahres anhielt. Nach dem Sachsen – Altenburger – Geschichts- und Hauskalender 1941 ist das Kriegsjahr 1939 eines der schwersten Jahre gewesen, das die Ostthüringer Landwirtschaft seit Menschengedenken durchgemacht hat und das durch die zusätzlich auftretenden Belastungen, durch die Kriegsbeordnung, von Menschen und Pferden ungeahnte Schwierigkeiten gebracht hat. 1940 Im Januar gab es einen großen Kälteeinbruch. Die Temperaturen sanken am 11. Januar auf – 29 °C . Es gab starker Schneefall mit Verwehungen. Am 6. Februar trat Tauwetter mit leichtem Sprühregen ein. Am 8. Februar war es + 4 °C warm, gegen Mittag stieg die Temperatur auf + 9 °C. Am 9. Februar wieder – 7 °C Kälte, am 10. Februar – 15 °C Am 15. Februar Neuschnee mit starken Verwehungen auf den Landstraßen. Seit 20. Februar Kälterückgang. Nachts zwischen 24. und 25. Februar führte die Sprotte Hochwasser. Seit 7. Dezember 1939 lag ununterbrochen Schnee von ziemlicher Höhe, der durch das am 27. Februar einsetzende Tauwetter fast ganz weg schmolz. Auch der Monat März brachte noch kein gutes Wetter. Es herrschte ein fast ununterbrochener Wechsel von Schneetreiben, Frost und zeitweisen Temperaturanstieg, der aber schon bald wieder in Frost umschlug. Erst Mitte April setzte wärmere Witterung ein. Nach vorwiegend aufkommender warmer Witterung im Mai und Juni war der Monat Juli verregnet. Der Juli ist der zweit regenreichste Juli in den letzten 40 Jahren (Hauskalender 1941). Trüb und regnerisch auch der August und der September. Der Obstbehang war sehr gering, da die Obstbäume durch den langen kalten Winter sehr gelitten hatten und viel erfroren sind. 1947 Auf den ungewöhnlich kalten Winter folgte ein ungewöhnlich trockener und zeitweilig sehr heißer Sommer. Die Dürre war Besorgnis erregend, alles vertrocknetes Kraut, Gemüse. Heuernte und Hackfruchternte waren schlecht. Es gab großen Futtermangel ! Infolge der anhaltenden Dürre war auch die Kartoffelernte sehr gering, deshalb herrschte im Winter und Frühjahr 1948 daran ein großer Mangel. Durch die überaus starke, von 1946 bis Mitte März 1947 mit nur ganz kurzen Unterbrechungen anhaltende Kälte machte den Kohlemangel empfindlich. In folge dessen wurde im Pfarrwald Nöbdenitz wie auch im Pfarrwald Lohma-Selka sehr viel Holz geschlagen. Die Stromsperre bracht viele Unannehmlichkeiten, man behalf sich mit Bohnerwachs und Lichtern. 1948 Ein sehr milder Winter lies in diesem Jahr zuerst befürchten, dass die Ernte nicht so erträglich ausfallen würde, wie im Vorjahr. Aber zur rechten Zeit stellte sich der ersehnte Regen ein und die Gärten, Wiesen und Felder waren so fruchtbar, wie nur selten. Bei herrlichem Erntewetter wurde der Roggen wohlbehalten und unversehrt geborgen. Die Getreideernte war gut und der Hafer lies zu wünschen übrig. Besonders reich war die Kartoffelernte, die Heu- und Futterernte zufrieden stellend. So schön die Gemüseernte war, so gering war teilweise die Obsternte. Im Pfarrgarten gab es nur mäßig Kirchen, sehr wenig Äpfel aber ziemlich viel Pflaumen. Nach einem schönem Herbst, setzte ein milder Winter ein, der nur wenig Schnee brachte.1951 Auf einen normalen Winter folgte ein kühler aber fruchtbarer Frühling und Sommer. Die erste Septemberhälfte war sehr heiß. Die Heu- und Getreideernte, Obst- und Gartenernte waren gut, während die Kartoffelernte infolge der Trockenheit im Spätsommer nur mittelmäßig, jedenfalls nicht so wenig wie im Vorjahr war. 1952 Der Sommer war sehr trocken, der Herbst aber überaus regnerisch. Der Winter setzte dabei zu früh ein. Die Getreideernte war in Folge der Trockenheit im Sommer unter Durchschnitt. Noch schlechter war die Kartoffelernte. Vor allem machte die Einbringung der Kartoffeln und Rüben in Folge der Nässe große Schwierigkeiten. Der frühe Einbruch des Winters führte dazu, dass die meisten Bauern mit der Herbstbestellung nicht fertig wurden. 1954 Der Sommer war sehr ungewöhnlich kühl und regenreich. Am 10. Juli 1954 (Sonnabend), wurde unsere Gegend von einem großen Sprottenhochwasser in Folge eines Wolkenbruchs heimgesucht. In Posterstein war es nicht so schlimm, in Nöbdenitz und Lohma schlimmer als 1926. Besonders in Lohma wurden in den Gärten große Verwüstung angerichtet. In Nöbdenitz musste das Gehöft von W. Herzog geräumt werden. Auch in anderen Teilen Deutschlands, besonders an der Donau kam es zu Hochwasserkatastrophen.
1955 Der Sommer war noch regenreicher als der vorhergehende. Die Einbringung der Ernte war daher schwierig und zog sich lange hin. Die Kartoffelernte war sehr schlecht. 1956 Das Jahr brachte den dritten nassen und kühlen Sommer. Doch war die Ernte gut, die Kartoffelernte sogar recht gut. Der Februar war nach einem milden Januar bitterkalt. 1957 Abgesehen von 3 sehr heißen Wochen Ende Juni bis Anfang Juli, war das Jahr wieder kühl und nass. Der Winter war mild, die Ernte (sowohl Getreide wie Kartoffeln) war gut. 1958 hielten Frost und Schnee bis Anfang April an, ohne dass es jedoch sehr kalt war. Nach vielen Jahren hatten wir endlich einen warmen Sommer, vor allem im August. Die Ernte war gut.

von Marlis Geidner-Girod

Bau der Autobahn und der Sprottentalbrücke zwischen Posterstein und Nöbdenitz 1935 – 1937

Vor fast 70 Jahren, am 27. Dezember 1937, weihte man auf hiesiger Flur die Reichsautobahn und die zwischen Posterstein und Nöbdenitz entstandene neue Autobahnbrücke ein. Zeitzeugen aus Nöbdenitz, Lohma, Posterstein und Vollmershain, Nachfahren der Rittergutsbesitzer aus Nöbdenitz und Posterstein, sowie Auszüge aus der Nöbdenitzer Chronik können folgendes aus dieser Zeit berichten:

Damals erzählte man sich, das die Autobahn eigentlich ganz anders verlaufen sollte. Geplant war die Strecke zwischen Posterstein und Mennsdorf in Richtung Jonaswalde – Thonhausen. Weil diese aber die Flur des Postersteiner Rittergutsbesitzer Hermann durchschnitten hätte, wehrte sich dieser entschieden dagegen. Durch seine harte Haltung und seinen damals großen Einfluss auf das ganze Geschehen, soll er es geschafft haben, dass dieser Autobahnabschnitt eine andere Führung bekam. Das gefiel wiederum dem Nöbdenitzer Rittergutsbesitzer Ernst von Thümmel nicht. Wahrscheinlich waren seine Beziehungen nicht so gut wie die des Herrn Hermann. Im Frühjahr 1935 war es dann soweit und man begann mit der Vermessung der Autobahn. Aus Frust darüber ging Ernst von Thümmel oft des Abends hinaus, um die Vermessungsstäbe wieder aus ihren Löchern zu ziehen. Natürlich ohne Erfolg, denn Anfang Oktober 1935 begann man auf Reizhainer Flur mit dem Bau der Reichsautobahn. Weil diese den Pfarrwald durchschnitt, musste er zu einem großen Teil geschlagen werden. Die Jahre 1936 – 1937 waren durch den Bau der Reichsautobahn und der Sprottentalbrücke für die Nöbdenitzer außerordentlich verkehrsreich. Es sollen über 1500 Arbeiter aus ganz Deutschland in hiesiger Flur beschäftigt gewesen sein. Viele Bauarbeiter haben sich während dieser Zeit in Posterstein, Nöbdenitz, Vollmershain und Lohma einquartiert. Höhere Angestellte brachten sogar ihre Frau mit. Auch Männer aus unserer Gegend fanden durch dieses riesige Bauprojekt Arbeit. Elfriede Bertel aus Nöbdenitz kann sich noch an einen Arbeiter erinnern, der jeden Tag – bei Wind und bei Wetter – zu Fuß (!) von Altenburg bis zu seinem Arbeitsplatz lief!
Viele Bauern aus unseren Dörfern konnten ihr Einkommen durch den Autobahnbau aufbessern. So stellten sie ihre Schuppen oder Scheunen für die Lagerung des Baumaterials zur Verfügung oder sie transportierten Wasser, Zement oder andere Materialien mit dem Pferdewagen zur Autobahnbaustelle. Rudolf Jacob aus Nöbdenitz lernte damals bei einem Bauern in Stolzenberg. Er musste mit dem Pferdegespann Wasser zur Baustelle transportieren. Dieses wurde in Beerwalde in einen großen Behälter gefüllt und danach bei Raitzhain auf die Straßenbaustelle gefahren. Am Ende der Bauzeit ackerte er mit Pferd und Pflug den grünen Streifen in der Mitte der Reichsautobahn. Die Straßenbauarbeiter und Brückenbauer hatten es damals bedeutend schwerer mit ihrer Arbeit. Es gab damals kaum Technik, fast alles arbeitete man mit der Hand und die Baustoffe transportierte man mit der Schubkarre. Für das Vortrocknen der frisch gemachten Betonstraße wurde ein riesiges Zelt, ca. 30 Meter x 80 Meter, über den jeweiligen Straßenabschnitt gespannt. Dadurch konnten eventuelle Schäden durch Regenwasser vermieden werden. War der betroffene Straßenteil getrocknet, baute man das Zelt wieder ab und es wanderte ( rollte ) über den nächsten frisch gebauten Abschnitt. Bohrten die Regentropfen trotzdem einmal kleine Löcher in den Beton, besserten die Handwerker diese wieder fein säuberlich aus.

Die Feldbahn

Der Transport des Baumaterials für den Autobahnbau und des Brückenbaus verlief damals überwiegend über die Bahn. Dabei galt der Nöbdenitzer Bahnhof als Ausladebahnhof. Um das Baumaterial aber bis zu seinem Bestimmungsort transportieren zu können, musste man bis dort hin Schienen für eine Kleinbahn ( Feldbahn ) legen. Diese Bahnlinien verliefen wie ein Spinnennetz von Nöbdenitz bis Posterstein und Vollmershain. Sie führten in Nöbdenitz an der normalen Bahnlinie entlang bis unterhalb des Raiffeisenlager`s. Dann weiter durch die dahinter liegenden Bahnbrücke über die Lößig und von dort aus bis zum Bauernhof Oehler, der dem Nöbdenitzer Gasthof gegenüber lag. Diese führten dorthin, weil im Schuppen des Bauernhofes sowie in der damaligen Kegelbahn am Gasthof Baumaterial für den Reichsautobahn – und Brückenbau lagerte. Auf der Gartenwiese des Bauernhofes befand sich ein großes Wasserbassin, welches vom Lößig gespeist wurde. Mit dem Pferdewagen und einem voll gefüllten 600 Liter – Wasserfass, ( das Wasser wurde damals noch mit der Hand eingepumpt ), fuhr der Bauer das Wasser nach Posterstein zum Bahnwärterhäuschen. Hinter diesem befand sich in der Nähe der Autobahn ein Lagerplatz mit riesigen Wasserbottichen. Diese bestückten die Bauern mit dem mitgebrachten Wasser. Man transportierte aber nicht nur Wasser, sondern auch kleinere Mengen von Baumaterial, wie z. B. Bauer Oehler die Verkehrsschilder, welche der Dorfmaler Schenk aus Nöbdenitz für die Autobahngesellschaft malen durfte. Weiter fuhr die Feldbahn oberhalb der Nöbdenitzer Gärtnerei vorbei. Dort befand sich ein Material- und Betonlager. Am Ende des Dorfes – Richtung Posterstein gab es zu dieser Zeit in Nöbdenitz noch ein kleines Bahnwärterhäuschen. Von dort aus führte die Kleinbahnlinie zur Postersteiner Straße hinunter und dann an dieser Straße entlang Richtung Baustelle „Sprottentalbrücke „. Eine weitere Bahnlinie verlief bis zur Rothenmühle nach Vollmershain und von dem Postersteiner Bahnwärterhäuschen bis unter die Autobahnbrücke zur Reichsautobahn. Weil die Kleinbahn ab und zu die Sprotte überqueren musste, baute man über diese kleine Holzbrücken. Zwischen der Sprottenunterführung und der Rothenmühle, links liegend, im genannten Zittergrund ( früher standen dort viele Pappeln, deshalb der Name ), stellte die Autobahngesellschaft ein richtiges Barackendorf hin. Dieses bestand aus einer großen Kantine und aus mehreren Baubaracken, welche man nicht nur für die Lagerung des Baumaterials nutzte, sondern auch als Schlafstätte für die Bauarbeiter, die in den Dörfern keine Unterkunft mehr bekommen hatten. Weiter ging der Verlauf der Feldbahn in Richtung Vollmershain, immer links an der Sprotte entlang, an der Rothenmühle vorbei. In Vollmershain angekommen, führte die Bahnlinie an der Untermühle entlang bis zum Hof vom Schwarze Günter. Auf dessen Wiese befand sich ein kleiner Bahnhof ( eine kleine Bretterbude ), eine so genannte Ausweichstelle. Dort bediente ein Mann das Telefon und die Weiche. Wegen des laufenden Gegenverkehrs war das auch notwendig, es fuhren ja gleich mehere Feldbahnen. Die Kleinbahnstrecke führte in Vollmershain weiter am damaligen Hof vom Schneider Erich vorbei bis hinauf zur Autobahnbaustelle . Die Züge zogen Kipp – Loren, die zum größten Teil mit Zement oder Sand beladen waren. Und wie es damals halt so war, wenn da mal einer was brauchte, fiel ab und zu ( natürlich ausversehen ) ein Sack Zement oder Sand aus der Lore. Die Lok zog so ca. sechs bis sieben Loren. Fuhr die Bahn in Vollmershain den Berg zur Autobahnbaustelle rauf, musste diese von einer zweiten Lok geschoben werden. Helmut Gerth aus Vollmershain kann sich noch gut daran erinnern, dass die Nöbdenitzer Straße in Vollmershain viel höher lag. Sie war so hoch, wie jetzt die Autobahn liegt ( siehe Autobahnbrücke Vollmershain ) und wie die Felder, welche sich rechts und links neben dieser Straße befinden. Die Fahrbahn ist tief ausgebaggert worden und die dadurch anfallende Erde fuhr man in die Nähe der Rothenmühle vor der Autobahnbrücke. Der riesige Damm dort, besteht aus dieser Vollmershainer Erde.
Lothar Dinger aus Posterstein weiß zu berichten, das die Träger der Sprottentalbrücke mit der Bahn aus Dortmund geliefert worden. Man transportierte diese erst nach Gera auf den Hauptgüterbahnhof. Dort gab es eine große Drehscheibe, die die Loren mit den Trägern drehte. Danach fuhr die Bahn im Rückwärtsgang die Ladung von Gera zu ihren Bestimmungsort – zum Brückenbau nach Posterstein. Eine Kranbrücke hob die Trägerteile zur Behelfsbrücke und von dort aus schweißten die Arbeiter die Teile zusammen.

1945 Sprottentalbrücke sollte gesprengt werden

Harald Bertel aus Lohma, von 1958 bis 1985 als LKW – Fahrer für den Winterdienst dieser Autobahn zuständig, erfuhr durch seinen damaligen Kollegen Willi Rohn aus Posterstein folgendes: Willi Rohn arbeitete ebenfalls bei diesem Autobahn- und Brückenbau. Im Winter beräumte man den Schnee am Sprottenberg nur mit einer Schaufel und einer Schubkarre. Als man 1937 in die Autobahnbrücke vorsorglich Sprenglöcher einbaute, war er auch mit anwesend. Die Löcher errichtete man so, dass sie jederzeit mit Sprengstoff gefüllt werden konnten. Diese verschloss man dann mit einen Stein und kennzeichnete sie mit dem Buchstaben „ U „. Nach dem Krieg meißelte man diese Zeichen wieder heraus. Am 13. April 1945 – der Tag, an dem die Amerikaner nach Nöbdenitz kamen, wollte in letzter Minute ein deutscher Sprengtrupp die Sprottentalbrücke sprengen. Willi Rohn, damals Straßenmeister dieser Brücke, hat es aber zu verhindern gewusst. Er diskutierte mit dem Hauptmann des Trupps und legte ihm dabei den Werdegang und den aufwendigen Bau dieser Brücke ans Herz. Dieser hat sich dann durch seine Worte erweichen lassen. Es war kurz vor zwölf, der Krieg war so gut wie zu Ende – die Autobahnbrücke war gerettet.

geschrieben von Marlis Geidner – Girod